Gerhard Heinrich Paul Meyer

(*) 28. Oktober 1907 – (†) 10. September 1939

Gerhard Meyer
Gerhard Meyer. Quelle: Landeskirchliches Archiv der Nordkirche, Kiel

Biografische Eckdaten

Vorname
Gerhard Heinrich Paul
Nachname
Meyer
Geburtsdatum
28. Oktober 1907
Geburtsort
Ordinationsdatum
30. Oktober 1932
Ordinationsort
Sterbedatum
10. September 1939
Sterbeort
Kirchendienst

Kirchenpolitik

Kirchenpolitische Mitgliedschaften

Politik

NS-Mitgliedschaften
Rechtskonservative Mitgliedschaften

Pfarramt

Druckerzeugnisse
  • Artikel "Entschiedenes Christentum und Nationalsozialismus", erschienen in der Beilage zur Zeitung "Der Reichsbote", Nr. 245 vom 12.10.30 (58. Jahrgang) sowie 1938 (in: "Ein feste Burg")
    "Mit heller Freude habe ich den Aufsatz von Pfarrer Bolte über 'Entschiedenes Christentum und Nationalsozialismus' gelesen. Da ich selbst seit Jahren die Bewegung interessiert verfolge, seit einem Jahr Mitglied der NSDAP bin und bis vor kurzem in der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) tätig war, nebenher aber auch mit Leib und Seele Theologe und evangelischer Christ sein wollte, sei es gerechtfertigt, daß ich hier zu dem Thema das Wort ergreife und einiges beisteuere. / Wir Theologen werden im Durchschnitt auf der Universität durch allzu viel begriffliche Gedankenarbeit in Anspruch genommen, mit soviel leblosem Wissensstoff beladen, hinzu kommt oft die unheilvolle Erziehung zu Staatsdünkel und Exklusivität zu Haufe und auf der Universität, da wir künftigen, die wir die volkstümlichsten, ursprünglich-lebensvollsten Leute sein sollten, nicht selten als Gelehrtennaturen, lebensfremd und ohne lebendige Verbindung mit dem oft wundersam unverbildeten Volksleben ins Amt treten. Und darin liegt ein Teil der Schuld der Pfarrer – beileibe nicht die ganze, denn jeder einzelne Christ ist da mit in Schuld verstrickt –, daß weiteste Kreise – und rassisch sowie kulturell sicherlich nicht immer die schlechtesten – dem kirchlichen Leben und damit dem Christentum entfremdet wurden. […] Wir Christentumsvertreter und die evangelische Kirche müssen wieder die Verbindung mit dem Volk suchen: wenn es uns weggelaufen ist, so dürfen wir nicht einfach hoffen, daß es sich wieder besinnt und den Weg zu uns zurückfindet, sondern wir müssen ihnen nachgehen, es da aufsuchen, wo es bei der Arbeit ist, wo es seine Erholung sucht, wo es in heiliger Empörung gegen Knechtung und Versklavung, gegen Schund und Schmutz sich aufbäumt und um ein neues freies Deutschland ringt. […] in engste Berührung mit dem Volk kam ich erst durch meine Tätigkeit in der NSDAP, besonders als SA-Mann. In diesen Abteilungen, da wird Volksgemeinschaft geschmiedet, gelebt, verwirklicht. Wenn man da als 7. Theol.-Semester sich anmeldet, so hat das weiter nichts zu bedeuten. Man ist einfacher SA-Mann, der seinen Dienst tut wie jeder andere. Die Zeiten, wo die Akademiker als Führer des Volkes ohnehin galten, sind vorbei, erst recht innerhalb des Nationalsozialismus. So heißt, sich erst als Führer erweisen, in allem Vorbild sein, was Mut, Tun, Treue, Zuverlässigkeit und höchster Dienst anlangt. Dann wird man auch wirkliches Vertrauen seiner Parteigenossen finden und Autorität von innen her gewinnen. Da waren wir mit den Erwerbslosen, dem Schlächterlehrling, Schlosser, Schneider, dem Kaufmann und unseren Kommilitonen in einer Gruppe, in einem Sturm vereinigt und wuchsen zu einer Schicksalsgemeinschaft, zur Stoßtruppe eines besseren Deutschland zusammen. In Umzügen und Nachtmärschen unter Liederschall und Musik, auf Schulungsabenden, bei Saalschutzarbeit, in notwendigen Zusammenstößen mit dem Untermenschentum der Kommunisten wurde der Körper in Hinblick auf größte Ziele – vgl. den Unterschied zur üblichen sportlichen Betätigung – gestählt, Charakterschwächen abgestreift, der Mut gestärkt, der Sinn vom kleinen Ich auf andere Menschen, ihre Bedürfnisse und Nöte gerichtet: kurz man wurde ein anderer, neuer Mensch. Hier in dem SA-Dienst und den großen Versammlungen der Partei erlebte ich es immer wieder wunderbar, was es heißt, in einer großen von so hohen Idealen und Zielen getriebenen Volksbewegung tätig darin zu stehen, ja von ihr gleich wie von einer Flutwelle, die heranbraust und alles Morsche und Schlechte und Gemeine zu Boden drückt, getragen zu sein, daß man selbst nicht mehr in Gemeinheit herabsinken kann. Das ist ja der Unterschied einer Bewegung von einer Masse: hier in der Bewegung nimmt jeder einzelne das große Ziel in seinen Willen auf und sucht es als dienenden Glied im stärkenden Kampf mit Gleichgesinnten ins Leben umzusetzen; die große Bewegung drückt den Willen jedes einzelnen aus, und jedes einzelne will nicht sich, sondern nur das hohe Ziel der Bewegung. Um dies zu erreichen, ein nach innen und außen freies Deutschland, durften wir nicht innerhalb unserer vier Wände bleiben, ein besserer Debattenklub werden, sondern mußten uns die Eroberung der Straße auch mit als Teilziel stecken. Heute ist dieser Weg als der richtige erwiesen; wie wäre sonst der Nationalsozialismus zu einer solchen Volksbewegung angeschwollen. Wenn man mich nun fragte, wie kannst du als Christ und Theologe aktiv an einer solchen politischen Bewegung teilnehmen, so weiß ich nur zu gut um die gewisse Berechtigung etwa folgender Einwürfe: das Christentum ist eine Weltreligion, und du willst es so eng mit einer ausgesprochenen Volksbewegung verbinden? Das Christentum ist Religion der Liebe, Demut und Barmherzigkeit, und du willst eine Synthese von Christentum und Nationalsozialismus, wo letzterer Kampf, Rache, Vernichtung von Menschen, Blutvergießen gutheißt? Es ließen sich noch mehr Einwürfe vorbringen. Zum ersten sei gesagt: Sicherlich läßt sich vom Standpunkt des Evangeliums das Verhältnis von Volk und Evangelium im Sinne einer Spannung aussprechen; Wert des Volkes vom Schöpfungsglauben, das deutsche Volk eine Schöpfungsindividualität, ein Gedanke Gottes; Kritik an seinem Wert, wenn das Volk seinen Charakter als Gabe Gottes vergißt und sich selbst als letzte Größe, je als Gott setzen will. Aber ich frage, was dann, wenn man, wie das heute so viel geschieht, vor lauter Reden in Spannungen eigentlich ratlos wird und die Tat vergißt. Deshalb kann einseitiges Eintreten für deutsche Art und Kultur im Kampf gegen die fremden Einflüsse heute auch vom Christentum geboten sein, weil einfach die laut sich meldende Stunde der Not es erfordert, wo wir in Zeiten schwerster politischer und wirtschaftlicher Bedrückung dank unserer Schwäche uns gleich allem […] Fremden in die Arme werfen und so beste Volkstumswerte und damit auch echt christliche Züge preisgeben. Und zum andern Einwand: Wir leben in einer Welt voller Selbstsucht und Hader, voller Neid, teuflischer Gemeinheit und Betrügerei. Da fruchtet es nicht viel, dagegen allein mit der christlichen Liebe, wie sie üblicherweise mit einem Zug von Reichlichkeit und Wehleidigkeit umgeben ist, aufzutreten. Sie gibt ja auch nur eine Seite, die weiblich-passive der christlichen Liebe wieder; daneben verdient der andere, auch wesensmäßig zur christlichen Liebe gehörige, mehr aktiv-männliche Zug gerade heute stärkste Betonung. Das würde, nebenbei bemerkt, auch sicher viele Männer wieder zur Kirche hinziehen. Christenliebe kann auch hart und schroff sein, kann heiligen Zorn und Trotz entflammen gegen alles Unchristliche um uns her, gegen sexuelle Hemmungslosigkeit und Selbstbestimmung ohne Sinn für die schöpferischen Kräfte, die in diesem Naturtriebe schlummern und in heiliger Sparung zu hüten sind, gegen die Entheiligung der Ehe, gegen alle unsittliche Energielosigkeit und Schlaffheit, gegen Selbstsucht ohne Blick für das Volksganze. Nach dieser Richtung sind wir Deutschen heute mehr denn je verseucht. Da gilt es gegenan zu kämpfen, nach Luthers Vorbild eine iustitia civilis in Gestalt eines großen Volksstaates zu schaffen, der den Willen der besten Volksteile der christlich-deutschen Kulturträger machtvoll nach innen und außen bekundet, und wenn die zersetzenden Elemente sich dann nicht ohnehin fügen, auch mit Gewalt, ja mit dem Schwert einzugreifen bereit ist; und das aus christlicher Liebe, um den wertvollen Elementen, den Erben und Fortführern jahrhundertelanger Tradition, Lebens- und Enthaltungsmöglichkeiten zu gewährleisten. So darf ich zum Schluß noch einige, beide, Christentum und Nationalsozialismus, stark verbindende Momente hervorheben. In der Theologie wird heute so viel von existentiellem Denken geredet, das man als wesentlich christlich ausgibt: Nichts zu denken, was man nicht auch mit seiner Existenz, mit Einsatz seiner Person zu vertreten gewillt ist. Schon recht. Nur mir scheint, es wird zu viel davon geredet und weniger danach gelebt. Gewiß, ich will die baltischen Märtyrer und unsere Brüder in Rußland nicht vergessen. Aber in Deutschland ist dieser Märtyrergeist wenig spürbar. Und wie lebt er im Nationalsozialismus! Jeder echte Anhänger dieser Bewegung gehört nicht so zur Partei wie man etwa zum Kegelklub, Tanz- oder Skatklub gehört, ohne Bedrohung seiner Existenz, ohne die entfernteste Möglichkeit, dabei sein Leben in Gefahr zu bringen. Nein, wer als echter Nationalsozialist für die Zukunft Deutschlands kämpft, der hat mit seinem kleinen Ichleben abgeschlossen, er ist mit seinem Leib und seiner Seele Träger der nationalsozialistischen Idee geworden, und wird diese angegriffen, so wird er angegriffen und tritt mit seiner ganzen Person dafür ein und läßt sich evtl. für sie totschlagen. Wo gibt es heute einen durchschnittlichen Christen, geschweige denn einen politischen Parteimann, der für seine Sache, für die Durchkämpfung seiner Ideale bereit ist, im Notfall durchs Feuer zu gehen? Und ich meine diese Ueberzeugungstreue, diese Hingabe an die Sache, diese Opferbereitschaft bis zum letzten sind echt christliche Züge. Hat uns Jesus nicht darin ein unerreichbares Vorbild gegeben? Ist es doch gerade das Gewinnende und Wunderbare an seiner Person: nicht eine Idee verkündet er, die man von seinem Wesen abziehen und fortdenken kann, von der er sich trennen konnte, sobald sie ihm nicht mehr genehm war. Nein, seine Verkündigung ist in seinem Wesen aufgegangen und umgekehrt: sein Wesen ist seine Botschaft. Und die Märtyrer sind seinen Weg gegangen und wurden zum lebendigen Samen der Kirche, wie ja überhaupt höchster Dienst, Opfersinn und Todesbereitschaft zur Erkämpfung eines hohen Zieles ein Wertmesser einer zukunftskräftigen Bewegung ist. Ist es nicht deutlich, daß viele Nationalsozialisten mehr von Jesus und seinen Nachfolgern Geist empfangen haben als viele Kirchenchristen unserer Tage. Gewiß ist die Aehnlichkeit vorerst formal und kann sie auch nur bleiben: sie liegt in der Gesinnung, in dem reinen Wollen der Nationalsozialisten. Materiell scheint ein starker Unterschied dennoch bestehen zu bleiben: Jesus lebte und stritt für Gottes Reich, der Nationalsozialismus als politische Bewegung erstrebt ein sehr hohes und wertvolles, aber doch irdisches Gut und Ziel, einen mächtigen Volksstaat. Aber ist es nicht Menschenlos, auch der Christen Schicksal, in der Erringung hoher und höchster, aber doch irdischer Ziele und Güter sich zu verzehren, gerade auch nach evangelisch-lutherischer Art (vergl. Luthers Berufsgedanken), und dennoch den Glauben haben, in ihnen etwas von Gottes Willen zu erfüllen, seiner Herrschaft die Wege geebnet zu haben? So sehe ich als Christ im Nationalsozialismus vielleicht ein gottgewolltes Werkzeug, hier in unserer Welt den Teufel, der uns ringsum von allen Seiten packen will, gehörig auch den Leib zu rücken. Der Nationalsozialismus ist so zu tiefst eine religiöse Bewegung. […] daß auch er nicht das Los aller sonstigen Parteien teilen muß und in Selbstsucht und menschlicher Schwäche, in reiner Interessensvertretung versandet. Noch ist keine Gefahr dafür, noch lebt in ihr ein unbeugsamer Idealismus und größter Dienstwille zum Wohl des Ganzen. Aber wir als Christen sollten wissen, daß auch über den Nationalsozialismus solche schwachen Stunden kommen können. Wollte Gott, daß er dann Kraftreserven aus der religiösen Tiefe parat hat. Deshalb Christen und Christentumsvertreter, ihr Pfarrer und Theologen und Theologiestudenten, hinein in diese herrliche Bewegung und helft sie mit einem demütigen und betenden Idealismus dahin führen, wohin sie zu kommen deren Führer sich als höchstes Ziel gestellt hat."

Weiterführende Quellen und Literatur

Quellen
  • Landeskirchliches Archiv der Nordkirche, 13.12 Personalakten der Angestellten und Beamten (Lübeck) Nr. 265-266
  • Bundesarchiv Berlin, NSDAP-Zentralkartei
Literatur
  • Buss, Hansjörg: "Für arteigene Frömmigkeit – über alle Konfessionen hinweg." Gerhard Meyer und der Bund für Deutsche Kirche. In: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hrsg.): Für ein artgemäßes Christentum der Tat. Völkische Theologen im "Dritten Reich". Göttingen 2016, S. 119-133
  • Buss, Hansjörg: "Entjudete" Kirche. Die Lübecker Landeskirche zwischen christlichem Antijudaismus und völkischem Antisemitismus (1918-1950). Paderborn/München/Wien [u.a.] 2011

Metainformationen

Datensatz
JSON-Datensatz

Veröffentlicht am 8. Januar 2022
Zuletzt bearbeitet am 19. Februar 2022
Beitrag zitieren

Diesen Beitrag empfehlen: